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MAGAZIN

Seit Jahren wohnt und arbeitet Ben Planitzer auf eine weiten Lichtung im Westen Münchens. Wir haben den Holzkünstler an seinem Rückzugsort besucht

Video Ben Planitzer

Erstmal das Sägemehl vom Laptop pusten. Dann die passende Musikdatei zum Arbeiten finden. Tannhäuser, die Ouvertüre. Sachte dringen die Bläser aus den riesigen Lautsprechern. Helm auf, Handschuhe an. Jetzt kann es losgehen. Einsatz der Streicher. Die gewaltige Holzscheibe auf der Drehbank beginnt zu rotieren. Planitzer setzt das Messer an und sofort fliegen Späne durch die ganze Werkstatt. Die Musik schwillt an. Die Pauken setzen ein. Schon bald ist alles mit einer Schicht aus Eichenspänen bedeckt. Ein feiner Duft von ätherischen Ölen erfüllt den ganzen Raum, während Wagner von einem triumphalen Höhepunkt zum nächsten eilt. ACHTUNG: IN BEARBEITUNG

Mächtige Eichen sind das wichtigste Material für Planitzers Werke. „Viele wurden gefällt, weil sie das Ende ihrer Lebensspanne erreicht haben, andere aus forstwissenschaftlichen Gründen.“

Zum Wald hat Planitzer ein ganz besonderes Verhältnis. Nicht nur, weil hier der Rohstoff wächst, aus dem er seine einzigartigen Holzschalen und Objekte dreht. „Ich bin einfach generell sehr stark von dieser ganzen Naturromantik geprägt“. 2014 zog sich der Künstler auf eine weite Lichtung mitten im Wald zurück. Auf einem Einsiedlerhof östlich von München hat er einen Stall umgebaut, in dem sich seine Werkstatt und Wohnung befinden. Hier lebt er mit Freunden.

Das verrückte Gebäude ist selbst ein typischer Planitzer. Voller Ideen, die der gelernte Schreiner und Drechsler am Liebsten mit den eigenen Händen verwirklicht. Wer hat schon eine Schaukel im Wohnzimmer oder fließendes Wasser, das durch einen hohlen Ast ins Waschbecken fällt?! „Manches ist entstanden, weil ich einfach mal probieren wollte, wie es geht“, meint Planitzer. Das Stukkatieren, beispielsweise oder der Einbau von gebrauchten Fensterscheiben, die er einem Abrißunternehmen abgekauft hat.

Auch seine Drehmaschine und das meiste, was er für sein Handwerk benötigt, hat Planitzer selbst entworfen und hergestellt. „Uomo universale“, nannte man das Ideal eines schöpferischen und naturverbundenen Menschen in der Renaissance. Vielleicht ist Planitzer so ein Universalmensch, ganz sicher ist der bärtige Bayer ein Unangepasster.

Respektsbezeugung. Seine Schalen stattet Planitzer mit den GPS-Koordinaten der ursprünglichen Standorte der Bäume aus.

Auch an der Kunstakademie in München, wo er sich nach seiner Ausbildung als einer der letzten Drechsler Deutschlands eingeschrieben hatte, wollte er nicht so recht ins Bild passen. Ein Handwerker zwischen Konzeptualisten und Videokünstlern. „Ich habe damals viel mit mir gehadert“, erinnert er sich und fügt lachend hinzu, „und es kräftig krachen lassen“. Eine Performance, bei der Planitzer und seine Freunde auf einem Flügel in der Toilette musizierten, hätte ihm beinahe den Studienplatz als Bildhauer gekostet. Zum Glück kam es nicht so weit, denn die Installationen, die der Künstler geschaffen hat, sind aufsehenerregend. Ein schwebendes Holznest mit einem Durchmesser von 6 Metern beispielsweise oder ein luftiger Pavillon aus Eichenbaumscheiben.

Ben Planitzer beim Drechseln einer Holzschale.

Doch nun scheint die Sonne und Planitzer will hinaus in den Garten. Das Gewächshaus hat er selbstverständlich selbst konstruiert. In einer eigenwilligen Zwiebelform übrigens und samt Fernsteuerung der Bewässerung und Belüftung. „Wenn ich etwas wissen will“, erklärt der Tüftler, „schau ich mir Video Tutorials an“. Bei Planitzer kann das alles mögliche sein: Wie zerlege und konserviere ich ein Wildschwein? Was muß ich tun, um Quittenwein herzustellen? Oder wie baue ich Shiitake-Pilze an?

"Die Eiche und ich verstehen einander."

Ben Planitzer beim Drechseln einer Holzschale.

Und dann gibt es ja auch noch den Musiker Planitzer. Den Rücken an einen Stamm gelehnt, kauert er im Wald. Zwei Steinwürfe von seinem Haus entfernt. Er schließt die Augen und bläst in seine Duduk. Die Töne der armenischen Flöte mischen sich mit dem Rauschen der Wipfel, dem Zwitschern der Vögel. Gelegentlich kommt das Knarren einer Buche dazu. Wehmütig klingt das und wunderschön. Manchmal, sagt Planitzer, spiele er auch für Bäume, ehe sie gefällt werden müssen. Und dann beginnt es zu regnen. Ohne Eile packt der Künstler seine Flöte unter den verschlissenen Kapuzenpulli und macht sich auf den Nachhauseweg. Der Wind klatscht ihm dicke Tropfen ins Gesicht. Planitzer lacht. So mag er das. Den Elementen ausgesetzt sein. Ein Faun, ein Freak, der Waldgeist von Brandenberg.

Auch das Duduk-Spielen hat sich Planitzer selbst beigebracht. Das Instrument stammt aus Armenien. „Eigentlich ja nur ein Stück Besenstil mit Löchern und Schilf“, grinst er: „Aber schwierig zu spielen.“ Inzwischen intoniert er gerne auch mal Schubert-Lieder auf der orientalischen Flöte. Singen kann er die romantischen Weisen natürlich auch. Seine Stimmkraft hat der ausgebildete Bariton früher regelmäßig in kleineren Rollen an der Münchner Oper oder im Gärtnerplatztheater unter Beweis gestellt. Heute kommt das nur noch selten vor. Zuviele andere Projekte stehen ständig an.

„Irgendwie hängt das für mich alles zusammen“, sagt Planitzer und meint das Gärtnern, Destillieren und Fermentieren, die Kunst, das Handwerk, die Musik und das Bauen. „Ich mache heute das, was ich schon als Kind immer können wollte“. Ein bisschen meint er, sei das wie mit dem Wald. „Dort sind ja auch alle Pflanzen durch ein feines Pilzgeflecht miteinander verbunden“. Unterirdisch. Im Verborgenen.

Ben Plnitzer, Holzkünstler, fällt eine Eiche.
Ben PLanitzer im Falt, Flöte spielend.
Viele verschiedene Muschelschalen von Ben Planitzer, auf dem Boden liegend.
Ben Planitzer bearbeitet eine Muschelschale.
Ben Planitzer beim Drechseln einer Holzschale.